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Die Amphibien im Landkreis Fürth gehen deutlich zurück – sind die Störche schuld?

17.07.2024
Die Anzahl der Weißstörche im Landkreis Fürth steigt, die Amphibienpopulationen gehen zurück. Da Amphibien zum Nahrungsspektrum der Störche gehören, lässt sich sehr leicht ein Zusammenhang konstruieren, der da lautet: Die Störche sind am Rückgang der Amphibien schuld.

Die Wissenschaft sagt deutlich: Nein!

Dr. Peter Sackl aus Graz hat die Gewölle (ausgewürgte, unverdauliche Nahrungsreste) steirischer Weißstörche untersucht und 1989 in Birdlife Österreich veröffentlicht (Sackl, P: Zur Ernährungsbiologie und Habitatnutzung des Weißstorchs, Mitteilungen von Birdlife Österreich, Wien, 1989, 10 S.). Demnach bestand die Nahrung der untersuchten Störche zu ca. 96,5 % aus wirbellosen Tieren, wie Heuschrecken, Käfer, Grillen und diverser Wirbelloser, wie Regenwürmer und Nacktschnecken.
Wirbeltiere bildeten nur ca. 3,5 % der Nahrung. Die aufgenommenen Wirbeltiere bestanden aus Kleinsäugern, Reptilien, Fischen, Kleinvögeln und Amphibien. Dabei betrug der Anteil der Amphibien lediglich 6 % der Wirbeltier-Nahrung.
Zu ähnlichen, bzgl. Amphibien noch niedrigeren Zahlen, kommt Michael Fangrath in seiner Dissertation von 2004 (Fangrath, M: Nahrungsaufnahme und Verhaltensweisen beim Weißstorch (Ciconia ciconia L.) in einem Wiederansiedlungsgebiet der Pfalz (SW-Deutschland))., Diss. Universität Koblenz-Landau: Campus Landau, 2004, 192 S.).

Was sagen diese Zahlen aus?

Ein ausgewachsener Storch benötigt ca. 500 g Nahrung pro Tag, Jungstörche brauchen während ihrer größten Wachstumsphase bis zu 1200 g pro Tag.
Gehen wir bei einer Storchenfamilie im Schnitt von 2 Elterntieren und 3 Jungstörchen aus, ergibt das eine Nahrungsaufnahme von 4600 g pro Tag und Familie.
Wenn man die Prozentangaben von Dr. Sackl als absolut ansieht, würde der Anteil an Amphibien dann ca. 10 g pro Tag und Familie betragen, was ca. einem Frosch oder einer Kröte entspricht.
Laut Dr. Sackl richtet sich die ausschließlich tierische Nahrung der Weißstörche aber vor allem nach dem Beuteangebot, also nach der Häufigkeit, mit der die Störche bei ihrer Futtersuche auf bestimmte Nahrungstiere und Beutetiertypen treffen. Diese Tatsache dürfte den Anteil der Amphibien als Beute weiter verkleinern.
Dafür spricht auch, dass unsere häufigsten Amphibien - die Erdkröten - dämmerungs- und nachtaktiv sind und weitgehend in Wäldern leben. Sie fallen demnach außerhalb der Laichzeit als Beute weitgehend weg.
Bleiben also noch die raren Braunfrösche und die noch relativ häufigen Wasser- bzw. Grünfrösche sowie die eine oder andere - ebenfalls immer seltener werdende - Molchart als potentielle Nahrung übrig.
Den Wasserfröschen, insbesondere den Teichfröschen, haben die Weißstörche bislang nicht geschadet, obwohl sie durch ihre tagaktive Lebensweise noch am ehesten zu ihren Futtertieren zählen dürften.

Fazit

Die Störche können also keinesfalls für den dramatischen Rückgang unserer Amphibien verantwortlich gemacht werden.
Außerdem widerspräche es den Regeln der Evolution, dass ein Beutegreifer seine Beute ausrottet und damit das Fortbestehen seiner Art gefährdet.
Vielleicht sollten wir die „Schuldigen“ besser in unseren eigenen Reihen suchen, denn wir Menschen betreiben seit mindestens 100 Jahren einen beispiellosen Raubbau an der Natur und haben schon unzählige Arten ausgerottet.
Die Zunahme der Weltbevölkerung und die damit einhergehende Flächenversiegelung, die Zerschneidung der Lebensräume, der Straßenverkehr, die intensive Land- Forst- und Teichwirtschaft mit ihrem Maschinen- , Dünger- und Pestizideinsatz gehen leider völlig ungebremst weiter!
Einem internationalen Forscherteam unter Leitung der Technischen Universität München zufolge hat sich zwischen 2008 und 2017 die Insektenbiomasse auf Grünlandflächen um zwei Drittel verringert.
Dadurch drohen Nahrungsketten zu reißen, was nicht nur, aber auch, unsere Amphibienbestände negativ beeinflusst.

Uwe Hammon